Außerordentliche Kündigung eines Vertrages über eine private Krankenversicherung nicht in jedem Fall ausgeschlossen

Bislang herrschte Streit, ob entsprechend dem Wortlaut des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG „jede“ Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Versicherer ausgeschlossen ist.

Diese Frage hat nun der Bundesgerichtshof entschieden. Eiernach ist nach § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG (Fassung 01.01.2009)  nicht jede außerordentliche Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, der eine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen.

In den beiden zu entscheidenden Fällen unterhielten die Kläger bei dem jeweiligen Versicherer (Beklagten) eine private Krankheitskosten- und Pflegepflichtversicherung. In einem Fall griff der Kläger einen Außendienstmitarbeiter der Beklagten mit einem Bolzenschneider tätlich an und bedrohte ihn, worauf der Beklagte 2009 den gesamten Vertrag mit dem Kläger außerordentlich kündigte. Im anderen Fall wurde die Krankheitskostenversicherung von der Beklagten 2009 mit der Begründung außerordentlich gekündigt, dass der Kläger bzw. seine für ihn handelnde Ehefrau in den Jahren 2007 bis 2009 insgesamt 168 angebliche Medikamentenbezüge zur Abrechnung eingereicht habe, tatsächlich aber viele Medikamente nicht bezogen und bezahlt worden seien, so dass eine Überzahlung von 3.813,21 € vorliege. Die Pflegeversicherung wurde nicht gekündigt.

Die Kläger begehrten jeweils die Feststellung, dass die Verträge über die Krankheitskostenversicherung fortbestehen, hilfsweise die Feststellung, dass die Krankheitskostenversicherung zum Basistarif, weiter hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, mit dem Kläger eine Krankheitskostenversicherung zum Basistarif abzuschließen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof bestätigte dies. § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG schließt zwar die Kündigung wegen Prämienverzugs aus, jedoch in Fällen sonstiger schwerer Vertragsverletzung, kann eine außerordentliche Kündigung durch den Versicherer nach § 314 Abs. 1 BGB in Betracht kommen. In diesem Fall wird die Krankheitskostenversicherung mit dem bisherigen Versicherer weder im Basistarif (§ 12 Abs. 1a VAG) fortgesetzt, noch steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Abschluss eines derartigen Vertrages mit seinem bisherigen Versicherer zu. Ein ausreichender Schutz des Versicherungsnehmers wird dadurch erzielt, dass er weiterhin darauf Anspruch hat, gemäß § 193 Abs. 5 VVG bei einem anderen Versicherer im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VVG versichert zu werden.

Im Bereich der Pflegepflichtversicherung ist hingegen jede außerordentliche Kündigung des Versicherers gemäß § 110 Abs. 4 SGB XI ausgeschlossen, da hier die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Bestimmung und das Fehlen eines gesonderten Basistarifs einer teleologischen Reduktion entgegenstehen.

 

PM des Bundesgerichtshofs

Urteil vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 50/11 –
Vorinstanzen: Landgericht Hannover – Urteil vom 10. August 2010 – 2 O 262/09, Oberlandesgericht Celle – Urteil vom 24. Februar 2011 – 8 U 157/10 IV ZR 105/11

Urteil vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 105/11 –
Vorinstanz: Landgericht Frankfurt (Oder) – 12 O 209/10 – Urteil vom 27. August 2010, Oberlandesgericht Brandenburg – 12 U 148/10 – Urteil vom 5. Mai 2011

 

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